22.04.2021
Am 22. September 2020 twitterte Elon Musk zum Battery Day von Tesla folgendes: „Viele haben offenbar noch immer nicht verstanden, was die extreme Schwierigkeit im Hochskalieren einer Batterieproduktion ist. 1.000% bis 10.000% schwieriger, als einige wenige Prototypen herzustellen, ist die Entwicklung der Maschine, die die Maschine herstellt – gegenüber der Maschine selbst.
[gekürzte Fassung des Podcasts]
Unser heutiger Gast ist Dr. Janna Hofmann. Sie ist Forschungsgruppenleiterin am Institut für Produktionstechnik des KIT und Forschungsbereichsleiterin beim Exzellenzcluster POLiS. Herzlich willkommen!
Frau Hofmann, überall in der Republik entstehen gerade neue Anlagen. Deutschland versucht die heimische Produktion von Batterien anzukurbeln. Frau Hofmann, erklären Sie uns bitte Ihren Beruf.
Janna Hofmann: Ich bin Maschinenbauerin. Wir bauen Maschinen, wir erforschen das Bauen von Maschinen, wir erforschen das Verhalten von Maschinen. Wir wollen bessere Maschinen herstellen, die bessere Produkte – in unserem Fall Batteriezellen – herstellen.
Warum müssen denn überhaupt neue Batterie-Fabriken in Deutschland entstehen?
Janna Hofmann: Die Frage ist, warum sie bisher nicht entstanden sind. Wenn wir uns einen klassischen Verbrennungsmotor anschauen, dann werden alle Komponenten hier in Deutschland entwickelt. Meist sind auch die Leitwerke, die die Produktion vorgeben, in Deutschland. Warum sollte man eine der Hauptkomponenten des elektrischen Antriebsstrangs nicht hier fertigen? Es ist demnach keine Frage von „warum“ oder „wieso“: Wenn wir das Autoland bleiben wollen, gehört auch alles vom E-Auto mit dazu.
Asiatische Hersteller haben einen riesigen Vorsprung und decken fast den gesamten Markt für Batterien ab. Ist dieser technologische Vorsprung überhaupt aufzuholen?
Janna Hofmann: Meiner Meinung nach ist es nicht sinnvoll alles von den Asiaten zu kopieren. Wir Europäer müssen versuchen, uns auf unsere Stärken zu konzentrieren. Im Bereich Maschinen- und Anlagenbau sind das die Themen: Hochpräzises Arbeiten, komplexe Sondermaschinen zu fertigen, Maschinen tief zu durchdringen, sodass man die Interaktion zwischen Maschine und Prozess versteht. Da sind wir seit Jahrzehnten Weltmarktführer.
Wichtig ist, nicht dasselbe zu machen, sondern an die aktuellen Problemstellungen zu gehen und mit diesen Problemstellungen etwas Neues aufzubauen. Zum Beispiel beim Thema Premiummarke: Ich glaube, in Asien ist man immer noch sehr stolz darauf, ein deutsches Auto zu fahren. Ein deutsches Auto steht für etwas. Wenn das weiterhin der Fall ist, ist es kein Problem in Deutschland, Batteriezellen wirtschaftlich zu fertigen.
Muss denn jeder Autobauer, wenn er E-Autos herstellt, die Batterie selbst bauen? Warum können wir das nicht international mit Batterien auch so machen: Die Asiaten bauen die Batterien – und wir bauen die Karosserie…?
Janna Hofmann: Das können wir natürlich so machen. Dazu muss man aber die Historie hinter dem Verbrennungsmotor verstehen. Zwischen Zulieferer und Automobilindustrie besteht eine enge Beziehung, weil die Automobilisten immer mehr ausgelagert haben. Das passierte in enger Abstimmung und partnerschaftlicher Entwicklung. Diese kooperative Zusammenarbeit kommt auch im Batteriezellen-Bereich immer mehr. Aber das war lange Zeit nicht der Fall.
Wenn man eine Batteriezelle haben wollte, dann hat man in Asien angefragt und hat ein Produkt angeboten bekommen. Wir haben es oft nicht verstanden, wieviel dieses Produkt „Batterie“ leisten kann, weil wir es noch nicht selbst entwickelt haben. Und das ist der Unterschied. Im Bereich Verbrennungsmotor ist man sehr lange in einer gemeinschaftlichen Entwicklung gewesen und darum war es möglich, dass Zulieferer Teile liefern.
Das kommt mittlerweile auch im Batteriezellenbereich. Auch in Deutschland. Die heißen dann “Center of Competence” oder “Center of Excellence”. Es ist wichtig, dass kleine Pilotlinien bei den Automobilisten selbst entstehen, damit sie die Prozesse verstehen und damit sie auch einem Zulieferer sagen können, was gehen muss, weil sie es selbst schon entwickelt haben. Und diese Expertise hat uns hier in Deutschland sehr lange gefehlt. Aber in der großen Automobilindustrie ist das jetzt angekommen.
Ist es denn wirklich am Ende billiger, Batterien für E-Autos hierzulande herzustellen? „Batteries Made in Germany“? Was kostet eine Batterie, die wir selbst produzieren?
Janna Hofmann: Genaue Zahlen kann ich dazu nicht liefern. Da gibt es ja viele Faktoren: Es muss die Fabrik geplant werden, der Standort muss gefunden werden.
Zum Beispiel baut CATL gerade ein Werk in Erfurt. Eine Halle dafür ist schon vorhanden, auf der man aufbauen kann. Das macht den Start erstmal leichter, später in der Planung aber vielleicht auch schwieriger, weil man nicht so planen kann, wie man es braucht, sondern auf das angewiesen ist, was dort schon vorhanden ist. Es gibt also viele Faktoren, die beachtet werden müssen.
Nochmal: Können wir langfristig günstigere Batterien herstellen als es in Asien momentan der Fall ist?
Janna Hofmann: Das ist gar nicht die Frage, die man aktuell beantworten muss. Wir müssen im ersten Schritt zeigen, dass wir es überhaupt können. Und dann ist die Frage welchen Markt man bedienen will.
Der asiatische Markt war schon immer für die große Masse gemacht. Sie produzieren eine Art von Zelle und das in einer großen Stückzahl. Dasselbe könnten wir in Europa nie so günstig machen. Aber wir können uns auf andere Märkte fokussieren, wie beispielsweise den Premium-Markt, Variabilität oder Sonderformate. Auch wenn die Fabrik in Asien steht, kann ja die Maschine aus Deutschland kommen. Im Bereich Maschinen- und Anlagenbau ist Deutschland ein Vorreiter. Im Bereich Zellfertigung müssen die deutschen Maschinen- und Anlagenbauer noch aufholen. Momentan bekommt man die asiatischen Maschinen noch zu unschlagbaren Preisen.
Haben Sie trotzdem eine konkrete Zahl bei der Wertschöpfung von einer Batterie, von einem Elektroauto?
Janna Hofmann: Knapp 70 Prozent der Batteriekosten sind Materialkosten. Das heißt, unabhängig davon, was die Produktion kostet, sind die Materialkosten der mit Abstand größte Betrag. Viele der seltenen Erdmaterialien kommen aus Asien. Da hat man Preisvorteile. Durch die Produktion kommen lediglich 30 Prozent der Kosten zustande. Und deswegen sind die Produktionskosten nicht der entscheidende Faktor.
Es ist aber möglich, durch die Maschinen und Prozesse so wenig Ausschuss wie möglich zu produzieren: So wird das gesamte Material zu Zellen verbaut – ohne Wegwerfprodukte. Das sind Wettbewerbsvorteile, die durch den Maschinenbau geleistet werden können.
Sie beschäftigen sich mit der Erforschung von Batterieproduktion. Welche einzelnen Schritte gibt es bei der Zellfertigung und generell bei der Batterieproduktion?
Janna Hofmann: Ich würde das ganze am Beispiel von einer klassischen Pilotfertigung aufziehen. Hier gibt es die Elektrodenfertigung, die Zellassemblierung und das Zellfinishing. Da gibt es tolle Videos, die man sich im Internet anschauen kann. Da sind viele kleine Sonderprozesse dazwischen, weil etwas von A nach B gebracht werden muss. In dieser Zeit kann auch was mit der Zelle passieren. Das sind alles Prozessschritte, die man auf dem Schirm haben muss. Und das macht es auch so schwierig die Unterschiede zu begreifen.
Können Sie die einzelnen Schritte ein bisschen genauer beschreiben? Welche Maschinen werden bei der Fertigung benutzt und wie muss man sich das bildlich vorstellen?
Janna Hofmann: Die Batteriezellen-Produktion teilt sich in drei Schritte. Der erste Schritt ist die Elektrodenfertigung. Danach findet die Zellassemblierung statt und danach das Zell-Finishing. In der Elektrodenproduktion werden die Aktivmaterialien auf den Stromsammler aufgebracht. Im nächsten Schritt folgt die Zellassemblierung. Das ist ein abwechselndes Aufeinanderstapeln von Anode, Separator, Kathode, wieder Separator, wieder Anode und so weiter. Die Zellen werden anschließend verpackt und dann mit einem Elektrolyten befüllt. Danach werden diese Zellen in die Formierung gegeben. Dort wird die Zelle das erste Mal beladen und entladen.
Welche Schritte sind dabei die größte Herausforderung?
Janna Hofmann: Das Problem ist, dass wir zwischen allen Schritten eine große Abhängigkeit haben. Zum Beispiel bei der Elektrodenproduktion: Hierbei wird in einem Mischer das sogenannte „Slurry“ angerührt. Dieser „Teig“ wird dann in den Beschichter gegeben. Und je nachdem wie dick diese Schicht ist, muss danach kürzer oder länger getrocknet werden. Dazu werden die beschichteten Materialien durch eine Art Bahn durch einen Ofen gefahren. Ist die Beschichtung dicker, muss der Trocknungsprozess länger dauern.
Das sind verschiedene Prozessschritte, die sich beeinflussen. Es herrscht eine extreme Abhängigkeit, die von Prozessschritte zu Prozessschritt wächst. Und das macht das Gesamtproblem der Zellfertigung so kompliziert.
Sie beschäftigen sich nicht mit Zellchemie, sondern mit dem Bau der Batterien. Die Batteriearchitektur bestimmt dabei, wie eine Anlage auszusehen hat. Die Anlage bestimmt aber auch, welche Batterien überhaupt gebaut werden können. Ist das nicht sehr komplex, wenn beides (also Batterie und Anlage) gleichzeitig variabel betrachtet wird?
Janna Hofmann: Das Zelldesign selbst wird nicht von uns definiert. Das Design kommt von unseren Kollegen, mit denen wir eng zusammenarbeiten. Wir überlegen uns den Maschinenbau: Was für Möglichkeiten habe ich mit diesen verschiedenen Zellaufbauten umzugehen? Wie sieht eine Maschine aus, die das händeln kann?
Das ist das tolle an unserem Beruf. Wir haben ständig neue Herausforderungen. Wir schauen uns die Maschinen an und überlegen: Was und wie können wir damit die Anforderungen erfüllen? Wo gibt es Gemeinsamkeiten? Was kann in einer Maschine abgedeckt werden?
Wie lange dauert das durchschnittlich bei einer Neuentwicklung von einer Zelle, bis zur Serienproduktion?
Janna Hofmann: Es ist tatsächlich schwierig, eine genaue Zahl zu nennen. Nur so viel: Es geht mittlerweile immer schneller, weil die verschiedenen Disziplinen sich besser verstehen und dadurch besser zusammenarbeiten können.
Bei uns kann eine Maschinenentwicklung bis zu drei Jahre dauern. Aber wir arbeiten auch an einer Universität, das ist nicht mit einem industriellen Maßstab vergleichbar. Aber auch dort müssen nach der Fertigstellung noch Zertifizierungsschritte gegangen werden. Gegebenenfalls muss dann nachgebessert werden. Bis der „TÜV“ drüber geschaut hat und alles passt, ist das ein langer Prozess.
Arbeiten sie eigentlich auch mit deutschen Automobilherstellern zusammen?
Janna Hofmann: Ja, wir haben mehr als ein Forschungsprojekt, wo große Automobilisten dabei sind. Wir haben dieses große Forschungscluster ProZell, das wird an der TU Braunschweig koordiniert. Dann gibt es noch das InZePro-Cluster (Intelligente Batteriezellproduktion) in Karlsruhe. Das wird durch einen Begleitkreis mit Automobilisten begleitet. Dort sind aber noch viel mehr dabei: Maschinenbauer, Hersteller von Steuerungs- und Automatisierungstechnik, Spezialisten für Digitalisierung und künstliche Intelligenz und eben auch die Automobilisten.
Gibt es eigentlich einen bestimmtes Zellformat-Standard, das sie diesen Firmen anbieten? Oder ist das momentan noch sehr individuell?
Janna Hofmann: Wir verkaufen ja keine Zellen. Die Zellen, die bei uns gebaut werden, benutzen wir als Referenzzellen. Mit diesen Zellen qualifizieren wir unsere Prozesse, unsere Produkte und unsere Materialien. Aber verkaufen tun wir sie nicht.
Ihre Maschinen sind ja trotzdem auf bestimmte Zelltypen ausgelegt. Zwischen den Zeilen ist herauszuhören, dass Sie diese Anlagen so designen, dass sie nicht nur auf eine bestimmte standardisierte Zelle abzielen. Richtig?
Janna Hofmann: Ganz genau. Die Zellen, die wir verwendet haben, um unsere Maschinen zu designen, waren unsere eigenen Zellen mit unseren Materialien und mit zwei Formaten, die wir für uns definiert haben.
Bis zum Ende der Elektrodenfertigung ist das Format auch noch nicht so wichtig. Man kann eine Elektrode sehr breit beschichten, man kann es aber auch in sehr schmal machen. Erst wenn es zur Zellassemblierung kommt, wird das Format definiert. Erst ab dann sind die Prozessschritte so auszulegen, dass sie zum Zellformat passen müssen.
In den Anwendungen, die wir alle täglich nutzen sind doch immer die gleichen Zelltypen verbaut. So viele gibt es dann doch gar nicht, oder?
Janna Hofmann: In Handys, Smartwatches und Laptops gibt es viele verschiedene Zellformate. Die Zelle im iPhone sieht beispielsweise L-förmig aus. In Smartwatches sind Batteriezellen trapezförmig. In Laptops wird jeder Platz ausgenutzt, sodass diese Zellen wieder anders aussehen als zum Beispiel in E-Autos.
Wie flexibel sind die Maschinen in einer Produktion?
Janna Hofmann: In einer klassischen Lithium-Ionen-Zellproduktion sind die Anlagen kaum flexibel. Da ist ein Umrüsten nicht gewollt.
Wie muss ich mir eine Batteriefertigung vorstellen? Sind da noch Menschen am Werk oder ist das geprägt von Roboterarmen?
Janna Hofmann: Ganz ohne Menschen funktioniert es nicht. Aber natürlich sind die großen Maschinen mittlerweile vollautomatisiert. Trotzdem müssen Rüstvorgänge, wie das Nachfüllen von Materialien, häufig noch von Menschen erledigt werden.
Bei der Batterieproduktion gibt es auch Gefahren, die von der Zelle ausgehen. An dieser Stelle kommen Roboter zum Einsatz. Hier wird der Mensch nicht ersetzt, um dem Roboter den Job zu geben, sondern hier wird dem Menschen eine Gefahr genommen.
Ein anderes Thema wäre das Recycling von Batterien, das mitgedacht werden muss. Inwieweit geht bei der Konstruktion von Batterien der Gedanke einher?
Janna Hofmann: Hätten Sie mir die Frage vor zwei Jahren gestellt, hätte ich gesagt: „Da geht gar nichts.“ Mittlerweile sieht das anders aus. Wir haben aktuell ein laufendes Forschungsprojekt, wo wir uns diese Fragestellung anschauen: Wie schaffen wir es, Batterien wieder auseinanderzubauen oder Batteriemodule wieder zu Zellen zu zerlegen.
Dabei stehen wir vor der Herausforderung, dass die Batterien bisher nicht dafür ausgelegt wurden, sie wieder auseinanderzubauen. Die Zellen werden so aneinandergeklebt, dass sie stabil sind. Aber das führt dazu, dass wir jetzt mit Zahnseide rangehen und mit Seilkonstruktionen versuchen, die Zelle voneinander zu trennen. Durch Wärme könnten wir den Kleber gut lösen, aber erwärmen dürfen wir die Zellen nicht, weil sie dann kaputtgehen kann.
Durch die rechtlichen Rahmenbedingungen, wer die Batterien zurücknehmen muss, ist das ein Thema, dass immer aktueller wird. Man versucht, die Zellen schon im Entwurf so zu designen, dass man sie wiederverwenden kann.
Was war für Sie der wichtigste Antrieb, der Sie in diesem Bereich der Wissenschaft vorangebracht hat? Und was können Sie denn jungen Frauen, die vielleicht auch motiviert sind, in den Bereich einzusteigen, mit auf den Weg geben?
Janna Hofmann: Ich glaube, es war nicht der Bereich, der mich in die Wissenschaft getrieben hat, sondern überhaupt ins Studium. Nur weil bei Lego gerne mal draufsteht „only for men“, heißt das nicht, dass das nicht auch Frauen benutzen dürfen. Ich wurde sehr häufig vor dem Studium gefragt, ob ich mir sicher bin. Maschinenbau sei doch ein Männerberuf. Ich habe das nie so richtig hinterfragt. Ich hatte Lust drauf.
Ich habe immer zu den Menschen gehört, die einen Kugelschreiber auseinandergeschraubt haben, um zu verstehen, wie er funktioniert. Und dafür war Maschinenbau ein passender Studiengang. Das würde ich jedem mitgeben. Wenn man der Typ für etwas ist, sollte man sich nicht von den Quoten abhalten lassen, dieses Studium anzufangen. Und der Weg in die Wissenschaft, der ist dann einfach nach und nach im Studium gereift. So kam ich dann zu meiner Promotion. Das hatte nichts mehr mit dem Geschlecht zu tun, sondern das war mein Wunsch. Und ich glaube, der begleitet alle Doktoranden dann, diesen Weg zu wählen.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Hofmann.
Über „Geladen – der Batteriepodcast“
Patrick Rosen und Daniel Messling sprechen mit Batterieforscher*innen über Elektromobilität und Energiewende. Der Podcast wird produziert vom Helmholtz-Institut Ulm (HIU), dem Exzellenzcluster POLiS, CELEST und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT).