Maxi­milian Ficht­ner – 1.000 Kilo­meter Reich­weite mit SALD-Batterien?

23.12.2020

Unser heutiger Podcast-Gast ist Prof. Dr. Maximilian Fichtner. Er ist stellvertretender Direktor am Helmholtz-Institut Ulm. Herr Fichtner, wir wollen heute mit Ihnen über ein Unternehmen sprechen, was im Jahr 2020 ganz schön Aufsehen erregt hat. Das niederländische Unternehmen SALD hat versprochen, auf absehbare Zeit einen Akku zu entwickeln, mit dem ein Elektroauto in 10 Minuten zu etwa 80% und in 20 Minuten sogar vollständig geladen werden könnte.

[gekürzte Fassung des Podcastformats „Batterie-News“ im Stream von „Geladen – der Batteriepodcast“]

Eine Schlagzeile von Autobild am 20. November lautet da: „Mit neuem Super-Akku schon 2022 mehr als 1.000 Kilometer weit kommen?Herr Fichtner, wie ordnen Sie diese Batterie-News ein?
Prof. Dr. Maximilian Fichtner: Solche Meldungen kommen meist dadurch zustande, dass in der Entwicklung innovativer Batterien eine Menge Druck auf dem Kessel ist. Das führt dazu, dass Arbeitsgruppen oder manchmal auch Einzelpersonen sehr optimistisch über ihre Entwicklungen berichten. Oft werden Einzelteile aus der Arbeit angepriesen und es wird eine Meinung erzeugt, als sei das jetzt die Lösung aller Dinge. Leider wird das Gesamtsystem der Batterie dabei nicht betrachtet.

Was haben die Niederländer denn hier eigentlich versprochen? Was ist denn Kern deren Innovation?
Prof. Dr. Maximilian Fichtner: Wenn man sich die Nachrichten anschaut, dann wundert man sich als Batterieforscher schon über die Dinge, die da drinstehen: Die Nachricht selbst schreit eigentlich in jeder zweiten Zeile: „Ich habe eigentlich keine Ahnung von Batterien, aber ich bin sehr optimistisch über das, was wir hier machen.“

Im Kern geht es darum, dass man eine bestimmte Beschichtungstechnologie, die man bisher für die Beschichtung von einzelnen Atomlagen verwendet hat, die sogenannte „Atomic Layer Deposition“ (ALD), also Atomanlagenabscheidung, jetzt in größerem Format nutzbar machen möchte – in Richtung einer SALD („Spatial Atomic Layer Deposition“). Es geht also um eine „räumliche Atomlagenabscheidung“.

Den Entwicklern zufolge kann man damit bestehende Materialien einfach(er) beschichten und dadurch ganz wunderbare Eigenschaften bekommen, wie z.B. diese 1.000 Kilometer Reichweite, eine ultraschnelle Beladbarkeit und so weiter. Meine Meinung lautet: Das ist nicht möglich. Man kann auch nicht in einen Fiat Panda Rennbenzin einfüllen und die Erwartung haben, dass daraus ein Bolide entsteht. Das geht einfach nicht.

Offensichtlich wurde bei den Holländern Vorarbeit durch die deutschen Fraunhofer-Institute geleistet. Aus deren Sicht wiederum ist man da bereits zurückgerudert: „Man wolle sich nicht mit fremden Blumen schmücken“ heißt es aus München.
Prof. Dr. Maximilian Fichtner: Ganz genau. Es ist nicht bekannt bei Fraunhofer, dass irgendjemand mit SALD kooperieren würde. Im Nachhinein sind die Niederländer ebenfalls zurückgerudert. Von dort hieß es: „Naja, also wir haben da auf eine Technik zurückgegriffen, die mal bei Fraunhofer entwickelt worden ist.“ Die Beschichtungstechnologie damals zielte allerdings auf Folienverpackungen für Lebensmittel ab. Mit Batterien hatte das überhaupt nichts zu tun.

Offenbar kommt dieses Beschichtungsverfahren auch in der Photovoltaik-Industrie standardmäßig zur Anwendung. Ist das Verfahren in der Batterie-Produktion denn anwendbar?
Prof. Dr. Maximilian Fichtner: Jein. Man muss unterscheiden, wofür diese Technik überhaupt sinnvoll einsetzbar ist. Bei Fahrzeugbatterien sprechen wir von ungefähr 50 Kilogramm Material. Grundsätzlich kann man – wie SALD vorschlägt – sehr fein strukturierte, sogar nanostrukturierten Batterien mittels kompliziert aufgebauten Atomschichten in einer geometrischen Struktur aufeinander bringen. Aber: Das dauert sehr lange und wäre irrsinnig teuer, völlig unbezahlbar. Deshalb hat SALD auch mitgeteilt, dass das Unternehmen zunächst den Markt für Hörgeräte anpeilt statt der bereits angekündigten Fahrzeugbatterien.

Selbst dem Laien fallen die doch sehr detaillierten Fahrpläne von SALD bis 2027 ins Auge. Es wird suggeriert, als wenn das ein Zeitraum wäre, in dem eine entsprechende Entwicklung von Verfahren und Materialien machbar sind. Gibt es denn bereits irgendwelche Testzellen in einem größeren Maßstab? Darüber hinaus: Woran macht SALD überhaupt die Skalierbarkeit der Zellen fest?
Prof. Dr. Maximilian Fichtner: Das ist eine gute Frage. SALD muss natürlich versuchen, auch irgendwo eine gewisse Glaubwürdigkeit zu erzeugen. Ich würde mal behaupten, dass ein Großteil der Motivation der Anlockung von Investorengeld gilt. Und wenn ein Entwicklungszeitraum bis 2025 oder 2027 kommuniziert wird, dann klingt es so, als ob sie sich mit dem Prozess schon ausführlich befasst hätten. Dadurch, dass das Unternehmen aber bei der Beschreibung des Systems so viele Fehler gezeigt hat, darf man getrost bezweifeln, dass sie den Fahrplan bis dorthin auch beherrschen werden.

Die Größe des Unternehmens SALD ist bemerkenswert klein. Bei 27 Mitarbeitern sprechen wir von Startup-Strukturen. Ist das überhaupt realistisch, dass große Batteriehersteller eine längst existierende Verfahrenstechnik einfach so übersehen?
Prof. Dr. Maximilian Fichtner: Ich bin mir relativ sicher, dass der eine oder andere Zellhersteller solche Techniken sogar im Hause hat. SALD oder ALD sind praktisch überall bereits Standardverfahren zur Beschichtung. Vielerorts werden Oberflächen von Batteriematerialien beschichtet, um sie stabiler und weniger angreifbar zu machen. So hält die Batterie im Auto einfach  länger.

Das hat aber rein gar nichts damit zu tun, dass die Speicherkapazität um Faktor 3 erhöht werden könne oder die Ladezeit in astronomisch kurze Bereiche verschoben werden würde. Das ist schlichtweg unrealistisch.

Vielen Dank für Ihre Einschätzung, Herr Fichtner.

 

Weiterführende Links:
Autobild.de
SpacialALD.com

Über „Geladen – der Batteriepodcast“
Patrick Rosen und Daniel Messling sprechen mit Batterieforscher*innen über Elektromobilität und Energiewende. Der Podcast wird produziert vom Helmholtz-Institut Ulm (HIU), dem Exzellenzcluster POLiS, CELEST und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

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