Maximilian Fichtner – BYD, CATL, Tesla & LiFePO4-Zellen

26.01.2021

Die drei Batterie- und Autohersteller CATL, BYD und Tesla haben schon im vergangenen Jahr (2020) angekündigt, verstärkt Lithiumeisenphosphat als Batteriematerial zu verwenden. Im Dezember 2020 schließt sich Volkswagen an. Herbert Diess gab dazu bekannt: „Volkswagen plant für das Small-BEV (Battery Electric Vehicle) mit kobaltfreien LiFePO4-Batterien.“

Für Prof. Maximilian Fichtner bricht eine weltweite „Materialdämmerung“ an. Denn: „Lithiumeisenphosphat“ (LiFePO4) wurde schon vor mehr als 20 Jahren – erstmals 1997 – als Material für einen Lithium-Ionen-Akku vorgeschlagen. Es ersetzt das beim herkömmlichen Lithium-Akku eingesetzte Lithium-Cobaltoxid. Auch wenn die nun von CATL und BYD weiterentwickelte LiFePO4-Zelle immer noch eine leicht geringere Energiedichte und Nennspannung besitzt, sieht Fichtner immense Vorteile bei den neuen LiFePO4-Batterien.

In unserem heutigen Podcastgespräch reden wir über gleich drei Unternehmen: CATL, BYD und Tesla. Alle diese drei Unternehmen haben im Jahr 2020 mit einer – gar nicht so neuen – Materialinnovation gepunktet, der Lithium-Eisenphosphat-Batterie. Ein großer Fan dieses Batterie-Materials ist Maximilian Fichtner, Professor für Festkörperchemie an der Universität Ulm.

Herr Fichtner, Sie haben einmal in Bezug auf Lithium-Eisenphosphat-Zellen von einer Materialdämmerung gesprochen. Bricht da gerade ein neues Zeitalter an? Oder wie kamen Sie zu diesem Begriff?
Prof. Dr. Maximilian Fichtner: Ob da tatsächlich ein neues Zeitalter anbricht, das muss sich noch herausstellen. Es deutet einiges darauf hin, dass Materialien, die bisher eher weniger in Frage kamen für das Elektrofahrzeug, eine Renaissance erleben können. Hintergrund der ganzen Geschichte ist, dass verschiedene Firmen im letzten Jahr (2020) daran gearbeitet haben, das Design der Batterie grundlegend zu ändern.

Man hat bisher die Batteriezellen – etwa in der Größe einer Tafel Schokolade – hergestellt; und sie dann alle nebeneinander gestapelt. Man hat ein sogenanntes „Modul“ gebaut aus diesen Einzelzellen. Und aus diesen Kästen – so ein Modul ist ein bisschen größer als ein Schuhkarton – hat man dann die gesamte Batterie aufgebaut. Durch die ganze Verpackung der einzelnen Zellen, die Vernetzung oder Verschaltung der einzelnen Module, brauchte man eine Menge Material und auch eine Menge Platz. Das ist ein großes Thema, weil so eine Batterie dann nur zu 25% bis 30% aus dem eigentlichen Speichermaterial besteht. Der Rest ist Verpackung und Zusätze, die die Batterie braucht, damit sie überhaupt arbeiten kann. Wenn man es nun schafft, bei diesem großen Hebel anzusetzen und da eine Verbesserung hinbekommt, dann hat es natürlich auf die Batterien einen erheblichen Effekt. Das scheint gelungen zu sein.

Durch dieses „Cell-to-Pack-Design“ zieht man praktisch die Batteriespeicherfolie über dieses ganze Batteriegehäuse durch. Statt der 16 Zellen oder Module wie früher hat man jetzt nur noch drei. Dadurch, dass man nun Platz spart, können auch Materialien eben wie dieses Lithium-Eisenphosphat verwendet werden. Dieses Material hat eigentlich sehr gute Eigenschaften: Es ist sehr langlebig, es enthält keine kritischen Rohstoffe, enthält kein Kobalt oder Nickel. Zudem ist es sehr sicher, es wird bspw. auch im Heimspeicher-Gebrauch verwendet. Bisher wurde Material eher nicht im  Fahrzeug eingesetzt, weil es zu raumfüllend ist.

Bevor wir auf die die Eigenheiten von Lithium-Eisenphosphat zu sprechen kommen, nochmal kurz die Nachrichtenlage des letzten Jahres: Die drei genannten Unternehmen CATL, BYD und Tesla haben im letzten Jahr die Verwendung von LiFePO4-Zellen angekündigt. Am 18. Februar schrieb der Branchen-Insider electrive.net, „Tesla könnte in China LiFePO4-Zellen von CATL beziehen“ – bisher waren das immer LG und Panasonic. Am 30. März hat BYD seine neue „Blade-Batterie“ für seine neue Elektro-Limousine BYD-Han angekündigt, die dann im Juni auf den Markt gekommen ist. Auch am Battery-Day von Tesla war das natürlich Thema. Und schließlich ließ Herbert Diess (VW) im Dezember 2020 verlautbaren:  Volkswagen plant für das „Small BEV“ mit kobaltfreien Lithium-Eisenphosphat-Batterien. Wie kommentieren Sie dieses Revival generell?
Prof. Dr. Maximilian Fichtner: Ich glaube, die Haupttreiber für diese Richtung sind erstens mal die Kosten, zweitens die höhere Sicherheit, aber auch die Langlebigkeit – und vor allem die Nachhaltigkeit.

Sie können der Lithium-Eisenphosphat-Batterie jetzt nicht mehr ankreiden, dass da irgendwelche kritischen Rohstoffe verwendet würden, die durch Kinderarbeit oder Ähnliches gewonnen würden. Das Thema ist vom Tisch. Außerdem muss man auch dazu sagen, dass viele VW-Vertreter schon vor Diess diese Materialstrategie vor zwei Jahren auf Konferenzen angekündigt hatten. Die berichteten damals, dass VW nicht nur raus aus Kobalt, sondern das Unternehmen auch raus aus Nickel gehen will. Das ist im Übrigen die andere –  derzeit verfolgte – Linie: Weniger Kobalt, dafür mehr Nickel in den Speichermaterialien. Diese Zellen haben dann tatsächlich auch eine höhere Speicherkapazität als das Lithium-Eisenphosphat. Das heißt, da könnte man nochmal höhere Reichweiten erzielen, aber dann halt mit Materialien, die diese Schwermetalle enthalten.

Vielleicht erklären Sie uns das Konzept dieser Lithium-Eisenphosphat-Batterie noch einmal. Das Material selbst ist ja schon vor 20 Jahren entstanden. Warum haben die Lithium-Eisenphosphat-Batterien in den letzten 15 Jahren eher weniger eine Rolle gespielt?
Prof. Dr. Maximilian Fichtner: Also ein Kernthema sind einfach die Grundeigenschaften von dem Lithium-Eisenphosphat. Es liefert zum einen eine geringere Spannung als die nickelhaltigen Materialien. Dadurch ist per se schon mal der Energiegehalt von seiner Zelle ein bisschen geringer und dann ist es auch leicht. Das klingt, als sei es ein Vorteil, aber bei einer Dichte von 3 [g/cm³] oder 3,2 [g/cm³] gegenüber einem Kobaltoxid, was über 6 [g/cm³] liegt, heißt das: Die gleiche Menge an Material nimmt das doppelte Volumen an und das ist für die begrenzten Platzverhältnisse, wie man sie im Pkw üblicherweise hat, einfach nicht vertretbar.

Was sind denn die Nachteile der LiFePO4-Zellen und wie gehen die Hersteller damit um?
Prof. Dr. Maximilian Fichtner: Der größte Nachteil ist vor allem die Tatsache, dass es voluminöser ist. Es hat auch ein bisschen andere Verarbeitungseigenschaften, aber die haben Firmen wie CATL oder BYD schon eine Weile im Griff. Ich denke, dass Tesla sich vor allem deshalb an CATL gewandt hat, weil CATL eine sehr lange Erfahrung hat mit Lithium-Eisenphosphat-Batterien hat.

Man musste jetzt auch lesen, dass Daimler in seine „Citaro“-Busse kein Wasserstoff-Antrieb einsetzt, sondern Batterie-Antriebe mit einem Polymer-Akku. Das heißt, sowas ähnliches wie ein Feststoff-Akku. Akkus, die eigentlich schon seit Jahren in Frankreich sehr gut laufen. Bei diesen Bolloré-Batterien, die man in den sogenannten Blue-Cars einsetzt. Da verwendet man auch Lithium-Eisenphosphat – eben aufgrund seiner gutmütigen Eigenschaften.

Wie schätzen Sie denn für dieses Jahr die Nachrichtenlage bezüglich Lithium-Eisenphosphat ein? Was kommt da noch? Oder kann das auch genauso schnell wieder vorbei sein, wie es gekommen ist?
Prof. Dr. Maximilian Fichtner: Mein persönlicher Eindruck ist, dass BYD ja bereits schon Tesla nach sich gezogen hat. Tesla hat da fast überhastet reagiert und ist schnell eingestiegen, weil sie die Vorteile erkannt haben. Jetzt zieht VW offenbar noch nach. Ich glaube, wenn sich dieses „Cell-to-Pack Design“ so verbreitet, dass es an verschiedenen Stellen in der Massenproduktion umgesetzt wird, dann werden auch andere Hersteller noch auf das Eisenphosphat gehen. Ansonsten wird es wahrscheinlich ein Materialmix geben, auch die nickelreichen werden natürlich zum Einsatz kommen, das ist ganz klar.

BYD stellt das Thema Sicherheit in Bezug auf die LiFePO4-Zellen gerne in den Fokus: Wie ist das denn mit dem Elektrolyten? Der ist doch trotzdem noch entflammbar, oder?
Prof. Dr. Maximilian Fichtner: Das sehe ich auch so. Es ist wahrscheinlich nach wie ein Standard-Elektrolyt, d.h. eine organische Flüssigkeit, ähnlich wie Benzin, in der dann noch ein sogenanntes Leitsalz gelöst ist. Also wenn es da tatsächlich zum Brand käme, würde das auch brennen können. Ich glaube, der Unterschied ist vor allem, dass eine mechanischen Beschädigung, weniger folgenreich ist. Bisher war das halt immer so, dass das ganze System sich dann an der Stelle so auf 500 Grad Celcius hochheizt. Die Flüssigkeit verdampft, das Material kommt heraus, entzündet sich und dann haben sie einen schönen Batteriebrand. Das scheint bei dieser BYD-Zelle eben nicht mehr zu passieren.

Die Videos, die BYD da zeigt, weisen darauf hin, dass an der Einstichstelle irgendwie die Temperatur auf 50 Grad hochgeht. Das ist mehr oder weniger vernachlässigbar. BYD behauptet auch, dass die Batterie sicher sei gegenüber einer falschen Beladung oder einer mechanischen Beschädigung, die bei einem Crash auftreten könnte.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Fichtner.

 

Über „Geladen – der Batteriepodcast“
Patrick Rosen und Daniel Messling sprechen mit Batterieforscher*innen über Elektromobilität und Energiewende. Der Podcast wird produziert vom Helmholtz-Institut Ulm (HIU), dem Exzellenzcluster POLiS, CELEST und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

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